Am Ende des 3. und zu Anfang des 4. nachchristlichen Jahrhunderts fühlten sich fromme Männer berufen, das Wort Christi in die Tat umzusetzen, das im Markus-Evangelium (10,20) festgehalten ist. Sie gaben ihr bisheriges Leben auf und gingen in die Wüste. Die ersten Eremiten, die man auch Anachoreten nannte, entsagten also der Welt und forderten sie zugleich heraus, indem sie auf alle Genüsse des Leibes und der Sinne verzichteten, sich unerbittlicher Askese unterwarfen und sich vollkommener Kontemplation in der Nachfolge Jesu Christi hingaben. Zunächst allein lebend, schlossen sich die Wüstenväter im Laufe der Zeit zu Gemeinschaften zusammen; aus der Zelle wurden Klöster, und die Gestalt des Mönches bildete sich heraus. Die Bewegung ging von Ägypten aus und griff dann nach Syrien über.
Die ersten großen Anachoreten („anachôrêsis“ bedeutet Zurückgezogenheit), deren Leben durch Zeitgenossen überliefert wurde, waren der hl. Paulus von Theben und der hl. Antonius der Eremit („éremos“ heißt Wüste, Einsamkeit). Beide führen den ehrenden Zusatz „der Große“; ihre denkwürdige, oftmals von der bildenden Kunst dargestellte Begegnung wird in der Legende beschrieben. Antonius, geboren um 251, stammt aus Komé (heute Keman) in der Gegend von Herakleopolis in Mittelägypten. Mit zwanzig Jahren schon vernahm er die Stimme, die in berief. Er gab sein reiches Erbe an gutem Land auf, verteilte seine Güter unter die Armen und wandte sich der Thebaischen Wüste im oberen Niltal zu, in deren Höhlen die während der Verfolgung unter Kaiser Decius geflüchteten Christen ein frommes Leben führten. Unwissend im Sinne der Welt – Antonius konnte weder griechisch noch koptisch lesen oder schreiben -, angeleitet von einem erfahrenen Führer, der auf dem Wege der Vollkommenheit schon fortgeschritten war, verbrachte er seine Tage bei harter Arbeit, seine Nächte im Gebet. Fünfzehn Jahre übte er sich , in einer Gruft lebend, in dem, was die Askese von einem Anachoreten forderte. Alles schien ihm mit Leichtigkeit zu gelingen, ein Minimum an Nahrung, Kleidung und Schlaf genügten dem Eifrigen. Zum Lebensunterhalt knüpfte er, wie die anderen Einsiedler, Palmblätter zu Körben und Matten. Die Vollkommenheit, die er aus ganzem Herzen erstrebte, schien nahe, er wurde nur noch „der Liebling Gottes“ genannt.
Aber es kamen Rückschläge. Versuchungen fielen ihn an wie reißende Tiere, die bösen Geister der Einsamkeit gaukelten ihm das Wohlleben vor, das er so heroisch verlassen hatte, Vorstellungen der Wollust ließen ihn, der die Keuschheit gelobt hatte, nicht mehr los. Furchtbar war sein Kampf. Doch immer wieder bestand er, indem er die Waffen des Gebetes und der Gottesliebe zu Hilfe nahm. Zehn Jahre währten seine Anfechtungen. Dann kamen die Versuchungen des Hochmuts. Als er sich dieser neuen Gefahr bewusst wird, zieht er sich tiefer in die Einsamkeit zurück. Er überschreitet den Nil und lässt sich in der Nähe einer Quelle in der entsetzlichen Verlassenheit der Wüste von Pipir nieder. Doch auch hier wird er von Erscheinungen bedrängt, sie stehen auf aus der Unendlichkeit von Sand Fels und Himmel. Athanasius von Alexandrien, dem wir die Lebensbeschreibung des Heiligen verdanken, berichtete, dass Antonius keineswegs ein überreizter, krankhafter Mensch gewesen sei und man diese quälenden Machwerke des Teufels, mit denen er sich so lange Zeit herumschlug, nicht als Ausgeburten einer erregten Phantasie abtun könne. Gesund und natürlich bis ins hohe Alter, waren diese Erscheinungen für Antonius eine übernatürliche Wahrheit, der er sich geduldig beugte. Er wusste, dass Gottes Widersacher ihn mit allen Mitteln von seinem Weg abbringen wollte und setzte seine ganze Kraft daran, ihn zu besiegen. Die Künstler des späten Mittelalters, besonders die niederländischen Maler um Bosch und Breughel, hat es immer wieder gereizt, diese Visionen des heiligen Antonius darzustellen: da sieht man den Heiligen, gequält von grauenhaften Teufelsfratzen, geneckt und gezaust von koboldartigen Wesen; Larven in Gestalt verführerischer Weiber bieten ihm Speise und Trank und stellen ihre Reize zur Schau, Tiere überfallen ihn, werfen ihn zu Boden und versuchen seiner Herr zu werden. Doch Antonius stieg weiter hinan auf der Leiter der Vollkommenheit. Der Ruf seiner Weisheit und Tugend zog Scharen von Jüngern an, und obgleich er allein sein wollte, konnte er sich ihnen nicht entziehen: er predigte und lehrte.
Im Jahre 312 versuchte er nochmals zu entfliehen; er schloß sich einer Karawane an und zog mit ihr gen Osten. In der Wüste des Berges Kolzim, nicht weit vom Roten Meer entfernt, entdeckte er den Ort, an dem er sich ungestört wähnte. Hier blieb er bis zum Ende seine Lebens. Aber die gesuchte Abgeschiedenheit wird ihm auch hier nicht gewährt, ein neues Einsiedlerzentrum entsteht um ihn herum. Auch weltliche Besucher stellen sich ein, teils aus Neugier, teils um seinen Rat einzuholen. Das ging so weit, dass Antonius gegen Ende seines Lebens Briefe mit Kaiser Konstantin wechselte, ja ein regelrechter Postverkehr mit Dromedaren wurde zum „Antoniusberg“ eingerichtet. Auf Einladung des Athanasius, griff der Neunzigjährige dann noch in den Kampf gegen die gefährliche Lehre des Arius ein. Er begab sich nach Alexandria und hielt eine mutige Predigt gegen die Häretiker. Bis zu seinem Tode erfreute sich Antonius bester Gesundheit. Wenn die Daten stimmen, die uns überliefert sind, so erreichte der große Einsiedler ein Alter von hundertfünf Jahren. Als Erbe hinterließ er einen alten Mantel, zwei Tuniken in Sackform und eine von Mönchen besiedelte Wüste.
Schon ein Jahr nach seinem Tode wurde seine von Athanasius verfasste Biographie veröffentlicht. Dieses berühmte Werk spielte eine entscheidende Rolle bei der Ausbreitung des Mönchtums. Der Einfluss des Heiligen reicht bis weit ins Mittelalter hinein. Sein Grab befand sich zunächst auf dem Berge Kolzim, später, 561, wurden seine Gebeine in Alexandria beigesetzt.
(Quelle: Das grose Buch der Heiligen, Erna und Hans Melchers, 1996, München)