Das Läuten der Kirchenglocken ist der vertraute Klang der Heimat. Seit über 4000 Jahren rufen sie den Menschen ihre Botschaft zu. Zuerst in Ostasien, dann im Irak und Ägypten. Über den Mittelmeerraum kamen sie um 700 v. Chr. über Frankreich,Irland und Schottland nach Mitteleuropa. Ursprünglich wurden sie eingesetzt zur Organisation des Tageslaufs. Sie meldeten das Öffnen und Schließen der Stadttore oder auch den Beginn und das Ende von Märkten. Aber auch als Warnungen und Hilferufe bei Naturkatastrophen, Feuersbrünsten oder dem Herannahen der Feinde erklangen die Rufe der Sturmglocke. Später nutzten die Klöster die Glocken, um die in den Feldern arbeitenden Mönche zu den Stundengebeten und den Mahlzeiten zusammen zu rufen. Als Karl der Große befahl, dass alle Priester die Glocken ihrer Kirchen zu bestimmten Tages- und Nachtzeiten läuten mussten, wurde der Klang der Glocken zum festen Bestandteil unseres Lebens.
Wann unsere Gemeinde ihre erste Glocke erhielt, lässt sich nicht mehr genau ermitteln. Es wird wohl spätestens in der 2. Hälfte des 15.Jahrhunderts gewesen sein, denn zur damaligen Zeit musste jede Pfarre eine so genannte Bannglocke haben, die im ganzen Zehntbereich zu hören war. Sie rief nicht nur zu Gottesdiensten oder kirchlichen Sendgerichten, sondern erschallte auch bei Gefahren,Naturkatastrophen oder Feuer.
Beim Neubau des Schwalmtaldomes gab es in der alten Kirche 3 Glocken, von denen jedoch nur 1 unbeschädigt war. Da die Pfarre sich durch den Bau finanziell völlig verausgabt hatte, konnte sie sich über eine Stiftung des Kaufmanns Johann Schölkens für eine neue Glocke freuen. Diese Glocke hängt im Dachreiter, also in dem kleinen Türmchen auf dem Langhaus der Kirche. Dort verrichtet sie auch heute noch ihren Dienst als Tauf- oder Sterbeglocke für Kinder und ist somit die älteste Glocke in unserer Kirche.
Eine weitere Spende, diesmal von Bartholomäus Rosbach, dem damaligen Eigentümer von Haus Klee, ermöglichte den Kauf eines festlichen Geläutes, bestehend aus 4 Glocken. Die 1883 von der Fa. Otto in Bremen gegossenen und 1884 gelieferten Glocken hatten die Töne h, cis, dis und fis und waren geweiht:
Während im 1. Weltkrieg verhindert werden konnte, dass die Glocken zu Geschützbronze eingeschmolzen wurden, musste das komplette festliche Geläut im 2. Weltkrieg abgeliefert werden. Nur die kleine Josefs-Glocke im Dachreiter durfte die Pfarre behalten.
Nach dem Krieg bemühte sich auch unsere Pfarre, die beschlagnahmten Glocken zurückzubekommen, doch leider kehrte nur eine Glocke zurück. Es war die Bartholomäus-Glocke, als ob sie uns für immer an den Stifter erinnern sollte.
Um das alte Geläut wieder herzustellen, wurden am 14. 12. 1959 bei der Fa. Otto in Bremen die 3 im Krieg verloren gegangenen Glocken neu gegossen und am 13. März 1960 geweiht. Seitdem sind sie unsere ständigen Begleiter.Die Inschriften auf den einzelnen Glocken entsprechen denen auf den alten Glocken, wobei die Michaelsglocke zusätzlich einen Hinweis auf die Geschichte dieser Glocken erhielt und somit den umfangreichsten Text erhielt.
Natürlich läuten nicht zu jeder Gelegenheit alle Glocken. Je nachdem, ob es ein freudiges, trauriges oder besonders feierliches Ereignis ist, zu dem uns die Glocken zusammenrufen, hören wir einen unterschiedlichen Glockenklang. Und damit wir auch genau definieren können, welche Glocke jeweils läutet, sei nachstehend aufgezeigt, wann welche Glocken läuten und in welcher Reihenfolge sie gestartet werden. Dazu sind die Glocken wie folgt bezeichnet:
Glocke 1 - St. Michael
Glocke 2 - St. Maria
Glocke 3 - St. Bartholomäus
Glocke 4 - St. Antonius
Glocke 5 - St. Josef (Dachreiter)
Es läuten:
Angelus-Läuten täglich, 7, 12 und 18 Uhr Glocke 4
Werktagsmesse (normal) Glocke 3
Herz-Jesu-Freitag Glocke 3
Brautmesse Glocke 4,3,2
Exequienamt Glocke 1
zur Beerdigung zum Friedhof Glocke 4,3,2
Maiandacht (werktags) Glocke 4,3
Rosenkranzandacht (Oktober) Glocke 4,3
Samstagabendmesse Glocke 4,3,2,1
Sonntagsmessen Glocke 4,3,2
Andachten (sonntags) Glocke 4,3,2
Tauffeier Glocke 3
nach der Taufe Glocke 5
an hohen Feiertagen Glocke 4,3,2,1
Totenglocke Glocke 1
Hinzu kommt noch der Schlag der Turmuhr. Zu jeder halben und vollen Stunde ertönt der Klang der Marienglocke (Glocke 2).
Sie wiegt 58 Zentner, hat einen Durchmesser von 163 cm, ist 163 cm hoch und klingt im Ton h. Auf dem oberen Teil der Glocke ist ein Bildnis des Erzengels Michael zu sehen. Er ist dargestellt hinter einem Abbild unserer Kirche und der Darstellung eines kleinen Ortes, der Waldniel symbolisieren soll. Mit dem Schwert in seiner rechten Hand soll er unsere Kirche und die Gemeinde beschützen, während er in der linken Hand uns allen zur Mahnung eine Seelenwaage hält. Der umlaufende Text lautet: „St. Michael – St. Maria – St. Bartholomaeus – St. Antonius Ecclesiae Parochiali St. Michael nomine dedicatae – Waldniel – donata a Bartholomaeo Rossbach in memoriam matris suae Bertae – Mariannae Liberae Baronis de Roth anno MDCCCLXXXIII. St. Michael – St. Maria – St. Antonius temporibus belli MCMXXXIX – MCMXLV destructae sed A. D. MCMLIX Ecclesiae S. Michaelis Patroni Parochiali ex civitatis Ecclesiasticae animo expiandi redditae – Campanae fusae ac fictae XIV. Dez. MCMLIX a fabro fundendi Otto, Bremen – Hemelingen, qui idem pristinas campanas fuderat.
St. Michael deprecare nobis pacem!“
( St. Michael – St. Maria – St. Bartholomäus – St. Antonius der Pfarrkirche St. Michael Waldniel geschenkt von Bartholomäus Rosbach zum Gedächtnis an seine Mutter Berta Marianne Freiin von Roth im Jahre 1883. St. Michael – St. Maria – St. Antonius in den Zeiten des Krieges 1939 – 1945 zerstört, aber im Jahre des Herrn 1959 der Pfarrkirche St. Michael durch den Opfergeist der Pfarrangehörigen wiedergeschenkt. Glockenguss am 14. Dezember 1959 durch den Glockengießer Otto, Bremen – Hemelingen, der auch die alten Glocken gegossen hat.
St. Michael erbitte uns den Frieden)
Sie wiegt 41 Zentner, hat einen Durchmesser von 143 cm, ist 143 cm hoch und klingt im Ton cis. Auch hier befindet sich oberhalb der Umschrift ein Bildnis. Dabei handelt es sich um eine Nachbildung der barocken Madonna, die in unserer Kirche vorne rechts beim Zelebrationsaltar an der Säule angebracht ist. Der Text auf der Glocke lautet: „Matris Dei almae Laudes cantando libentissime celebro“ (Sehr gerne besinge ich das Lob der ehrwürdigen Mutter Gottes).
Die aus dem Jahre 1883 stammende Glocke wiegt 28 Zentner, hat einen Durchmesser von 127 cm, ist 127 cm hoch und klingt im Ton dis. Der Text lautet: „St. Bartholomaei preces omnis noxia iuncta avertant“. (Die Bitten des hl. Bartholomäus mögen alles Schädliche von uns fernhalten.)Der Text ist von Blattranken umrahmt.
Sie wiegt 17 Zentner, hat einen Durchmesser von 109 cm, ist 109 cm hoch und klingt im Ton fis. Die Umschrift auf der Glocke lautet: „Quotiescumque audiverint me credentes Adjuvet orando precantes Sanctus Antonius.“ (Der hl. Antonius möge den frommen Gläubigen beistehen, sooft sie mich hören)
Sie wurde 1882 hergestellt, wiegt 255 Pfund und ist dem hl. Joseph gewidmet, dem Patron der Werktätigen und der Sterbenden. Sie ist 52 cm hoch und hat einen Durchmesser von 61 cm und klingt im Ton d. Sie besitzt eine Umschrift sowie weitere Verzierungen. Die Umschrift lautet: „St. Josephi patrocinio industria quaeque nobis floreat“ (Durch den Schutz des hl. Joseph möge uns jede Tätigkeit gut gelingen.) Oberhalb und unterhalb der Umschrift verläuft jeweils ein Band mit Blattranken. Vor dem Anfang der Umschrift befinden sich ein Abbild des hl. Josef, darunter ein Medaillon des damaligen Papstes Leo XIII sowie ein Medaillon mit einem Siegel
Beitrag zur Geschichte von Waldniel
Von Karl-Heinz Schroers
Herausgegeben vom Kirchbauverein St. Michael Waldniel e.V.
aus Anlass der Renovierung des Schwalmtaldomes, AD 2008
Erlös war für den Kirchbauverein bestimmt.
Das Buch ist ausverkauft.